Welche Grenzen sind der Behörden-PR in sozialen Netzwerken zu setzen?

Die Ereignisse in Leipzig-Connewitz zum Jahreswechsel haben die Gemüter erhitzt. Daran hat die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Sachsen einen erheblichen Anteil. Was darf die Medienarbeit von Behörden?

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Am 1. Januar veröffentlichte sie in den frühen Morgenstunden eine Pressemitteilung, verbreitete sie anschließend in den sozialen Netzwerken und wies in dem begleitenden Tweet auf einen aus ihrer Sicht relevanten Umstand hin: Ein Beamter sei so schwer verletzt worden, dass er habe notoperiert werden müssen.

Der Beitrag wurde
schnell massenhaft geteilt und auch von Medien offenbar zum Teil
ungeprüft übernommen. Im Nachhinein stellte heraus, dass Teile der
Pressemitteilung die Situation dramatischer
erscheinen ließen, als sie in Wirklichkeit waren
. Da waren die
Behauptung aber längst in der Welt.

Der Vorgang zeigt auf, wie anfällig der gesellschaftliche Diskurs für behördliche Fehlinformationen ist – und zwingt dazu, über Konsequenzen nachzudenken. Es braucht eine Diskussion darüber, ob Behörden eine Kommunikationsform, die eine Informationsvermittlung in Echtzeit ermöglicht, zur auch zur Kommentierung in Echtzeit nutzen sollte. Sie täte gut daran, in bestimmten Fällen einen Gang herunterzuschalten und sich zunächst Klarheit über die Fakten zu verschaffen. Welche Grenzen sind der Behörden-PR in sozialen Netzwerken zu setzen?

Behördenaccounts in
sozialen Netzwerken

Behörden dürfen
Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Erlaubnis zur mit der
Verbreitung von Informationen stets verbundenen Einwirkung auf die
öffentliche Meinungsbildung wurzelt in den behördlichen Aufgaben.
Während sich Grundrechtsträger zu beliebigen Themen äußern
dürfen, sind staatliche Stellen im Grundsatz auf sachliche
Informationen beschränkt. Das Sachlichkeitsgebot verbietet dem Staat
unsachliche Äußerungen genauso wie die Herabsetzung einzelner
Personen.

Kritisch ist, dies
sei am Rande erwähnt, in diesem Zusammenhang zu sehen, wenn
„lustige“ Posts zu dummdreisten Einbrechern oder Kuriositäten
sich mit Verkehrsmeldungen abwechseln. Es mag die Behörde
sympathisch wirken lassen, nicht immer bierernst daher zu kommen.
Unterhaltung ist aber nicht das Ziel behördlicher
Informationsvermittlung, schon gar nicht auf Kosten der eigenen
Bürger, zumal der polizeiliche Auftrag (Gefahrenabwehr und
Aufklärung von Straftaten) überaus ernst ist.

Äußerungen auf
behördlichen Accounts müssen dem Sachlichkeitsgebot Rechnung
tragen. Dieses beinhaltet denklogisch, dass die verbreiteten
Informationen wahr sein müssen. Sachlichkeit und Wahrheit
unterscheiden die zulässige behördliche Öffentlichkeitsarbeit von
der unzulässigen Propaganda. Unerheblich ist dabei, ob der Behörde
die Unwahrheit einer Informationen bewusst ist oder nicht.
Schließlich ist sie es, die entscheidet, einen Post abzusetzen. Mit
der willentlichen Verbreitung nimmt sie die ihr anhaftende staatliche
Autorität in Anspruch und bürgt mit dieser in gewisser Weise für
den Wahrheitsgehalt ihrer Äußerung.

Aus diesem Grunde
ist von jeder Äußerung der Polizei und anderer Behörden zu
fordern, dass sie auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhen.
Wo nicht überprüft werden kann, ob eine Information zutreffend ist,
muss die Behörde eine Verbreitung unterlassen oder die Unsicherheit
hinreichend transparent machen.

Gefahrgeneigtheit
der Echtzeitkommunikation

Postings in sozialen Netzwerken sind insbesondere ein Problem, wenn sich die Polizei zu laufenden Einsatzgeschehen äußert. Es versteht sich von selbst, dass es an der erforderlichen Tatsachengrundlage gerade bei dynamischen und unübersichtlichen Vorgängen tendenziell fehlen wird. Die Stärke der Kommunikation in sozialen Netzwerken, in Echtzeit eine Vielzahl von Nutzern zu erreichen, hat hier einen gravierenden Nachteil. Informationen müssen mit größerem zeitlichem Druck verifiziert werden, was zu einer größeren Fehleranfälligkeit führt. Äußert sich die Polizei dann auch noch sehr konkret, wie im Beispiel von Connewitz („Notoperation“, statt „verletzter Beamter“), ist ein Kommunikationsdesaster vorprogrammiert, bei dem am Ende alle verlieren. Zumal Falschmeldungen über verletzte Polizeibeamte oder schwerwiegende Straftaten bei Echtzeitkommunikation auch auf die Einsatzlage zurückwirken können. Es ist allzu menschlich, wenn die Emotionen bei Beamten hoch gehen, wenn sie von einer (vermeintlichen) Tat gegenüber Kollegen erfahren.

Diese Gefahrgeneigtheit der Echtzeitkommunikation besteht nicht nur bei der Polizei, hat bei ihr aber besonders gravierende Auswirkungen. Denn Äußerungen der Polizei wird – wie dargestellt – eine erhöhte Glaubwürdigkeit beigemessen. Folglich wird von Amtsträgern eine besonders gründliche Prüfung des Wahrheitsgehalts verlangt werden müssen. Aus der Inanspruchnahme staatlicher Autorität erwächst eine besondere Verantwortung.

Zeitgemäße
Öffentlichkeitsarbeit ist nicht grenzenlos

Aus dieser besonderen Verantwortung folgt dann auch, dass jedenfalls in bestimmten Einsatzlagen eine Begleitung des Geschehens in Echtzeit auf Twitter und Facebook einzuschränken ist. Ist die Polizei selbst ein Teil der Auseinandersetzung, beispielsweise bei Versammlungen oder Razzien, muss sich die Kommunikation auf äußerlich beschreibende Angaben beschränken, beispielsweise wo eine Versammlung stattfindet, dass es zu Verkehrsbeeinträchtigungen kommt, etc. Einzelne Vorgänge, erst Recht solche, bei denen es um das Verhalten von Beamten oder um konkrete Straftaten, bei denen die Täterschaft ohnehin erst zu ermitteln ist, müssen nicht binnen weniger Minuten behördlich kommentiert werden. Gerade weil Falschmeldungen kaum zurückgeholt werden können, sind Zeitpunkt (Echtzeit) und Mittel (soziale Netzwerke) anders zu wählen, als bei einem Verkehrsunfall oder anderen Alltagsgeschehen. Dies sollte für die (Polizei-)Behörden verbindlich geregelt werden.

Ein gängiges
Argument ist, die Polizei könne auf eine zeitgemäße
Öffentlichkeitsarbeit nicht verzichten. Das verlangt auch niemand.
Die Frage ist aber doch, ob eine solche auch in den aufgezeigten
Situationen stattfinden muss und in welcher Form.

Die Polizei ist
keine privilegierte Quelle

Neben der Frage, ob
und wie die Behörden in sozialen Netzwerken kommunizieren sollten,
stellt sich die Frage nach dem Umgang mit polizeilichen
Informationen.

Polizeiliche
Informationen sind auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen. Die
Polizei ist keine „privilegierte Quelle“, wenn sie ein Teil der
Auseinandersetzung ist, sondern Vertreter eigener Interessen. Diese
Erkenntnis sollte nicht neu sein, gilt sie doch für Posts in
sozialen Netzwerken genauso wie für „klassische“
Pressemitteilungen. Ob dies in der täglichen Arbeit hinreichend
gewürdigt wird, ist eine Frage des journalistischen
Selbstverständnisses, die ich mir als Jurist nicht anmaße zu
beantworten.

Wie sollte mit
behördlicher Öffentlichkeitsarbeit und mit ihrer Präsenz in
sozialen Netzwerken umgegangen werden? Wann wird behördliche
Informationstätigkeit zu PR? Ein demokratischer Staat braucht eine
Öffentlichkeit, die kontrolliert und kritisiert. Nicht nur, aber vor
allem, wenn Behörden im eigenen Interesse berichten.

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