LG Köln verbietet Verdachtsberichterstattung über Ex-Fußballer

Medien dürfen über den Verdacht einer Straftat berichten, aber nur unter Beachtung strenger Vorgaben. Denn eine solche Verdachtsberichterstattung belastet den Betroffenen erheblich, vor allem wenn sie namentlich erfolgt.

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Das Landgericht Köln hat nun in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden, dass die identifizierende Berichterstattung über strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen Ex-Fußballprofi in der Bild-Zeitung und auf www.bild.de unzulässig ist (LG Köln, Beschluss vom 19.08.2019 – 28 O 344/19).

Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung

Medien, die über einen (strafrechtlichen) Verdacht berichten wollen, müssen insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Es muss ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung vorliegen, dies ist beispielsweise bei Verfehlungen von Prominenten oder besonders außergewöhnlichen Taten der Fall.
  • Ein Mindestbestand an Beweistatsachen muss für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen.
  • Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, sie muss ausgewogen sein und deshalb insbesondere entlastende Umstände nennen.
  • Vor der Veröffentlichung ist regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen.

Im Fall des Ex-Fußballprofis ermittelte die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Ein solcher Vorwurf gegenüber einem Prominenten kann grundsätzlich ein öffentliches Interesse an einer Berichterstattung begründen.

Mindestbestand an Beweistatsachen erforderlich

Das Landgericht nahm durch die konkrete Gestaltung der Berichterstattung eine unzulässige Vorverurteilung an. Zudem fehle es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, die für die Richtigkeit des vermittelten Verdachts sprechen könnten.

Interessant an der Entscheidung ist, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben sein soll, obwohl bei dem Betroffenen im Zuge des Ermittlungsverfahrens eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Staatsanwaltschaft und ein Gericht sahen also genügend Anhaltspunkte, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen haben könnte.

Durchsuchung beim Beschuldigten für sich genommen nicht ausreichend

Mit seinem Beschluss setzt das Landgericht Köln die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konsequent fort. Hiernach genügt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht für die Annahme des Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen. Denn die Schwelle für die Einleitung von Ermittlungen liegt dafür zu niedrig.

Die Staatsanwaltschaft hat schon beim Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen (vgl. § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO). Dafür ist bereits ausreichend, dass aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung die bloße Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat gegeben ist. […] So müssen die Ermittlungsbehörden auch auf völlig unbegründete, unter Umständen wider besseres Wissen in Schädigungsabsicht erstattete Strafanzeigen hin tätig werden.

LG Köln, Beschluss vom 19.08.2019 – 28 O 344/19

Nichts anders gilt richtigerweise für Durchsuchungsmaßnahmen. Denn nach § 102 StPO sind solche beim Beschuldigten bereits bei einem Anfangsverdacht zulässig. Zwar muss eine solche Maßnahme verhältnismäßig sein. Je geringer der Anfangsverdacht ist, desto höhere Anforderungen sind an die Prüfung und Darlegung der Verhältnismäßigkeit zu stellen. Dies aber bedeutet nicht automatisch, dass auch eine Berichterstattung erfolgen darf. Es bedarf vielmehr einer Abwägung im Einzelfall.

Besitz und Verbreitung kinderpornografischer Schriften kein „Schwerverbrechen“

Darüber hinaus beanstandete das Landgericht Köln eine Aussage des Chefredakteurs der Bild-Zeitung, Julian Reichelt, der von „Schwerstverbrechen, die im Raum stehen“ sowie von der „Kenntnis eines möglichen Verbrechens, eines möglichen Schwerverbrechens“ gesprochen hatte. Wie die FAZ berichtet, stellt das Gericht fest, dass es sich bei dem Vorwurf nicht um ein Verbrechen oder ein Schwerverbrechen handelt. Ein Verbrechen ist nach der Definition des § 12 Abs. 1 StGB

rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften nach § 184b StGB ist demgegenüber mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bewehrt.

Der Verlag kündigte an, ein Rechtsmittel einlegen zu wollen.

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