Auskunftsrecht gegenüber Webseitenbetreibern und sozialen Netzwerken

Wer in sozialen Netzwerken verbal angegriffen oder bedroht wird, kam bislang nur schwer an die Daten des Verletzers. Zwar regelt das Telemediengesetz in § 14 Abs. 3 TMG ein Verfahren, nach dem gerichtlich festgestellt werden kann, dass ein Anbieter zur Auskunft über Bestandsdaten wie Name, Adresse oder E-Mail-Adresse berechtigt ist.

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Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht

Eine Verpflichtung zur Auskunft gegenüber Diensteanbietern ist bislang gesetzlich nicht geregelt. Alles deutet darauf hin, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sich dies ändert. Wer auf Webseiten durch Nutzer verunglimpft wird, beispielsweise durch Lügen auf Bewertungsportalen, wird leichter an die Daten des Verletzers kommen.

BGH verneint Befugnis zur Auskunft

Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 2014 entschieden, dass der Betreiber eines Ärztebewertungsportals ohne Einwilligung des Nutzers keine Daten an einen Verletzten herausgeben darf (BGH, Urteil vom 01.07.2014 – VI ZR 345/13). In dem Fall war ein Arzt negativ bewertet worden und wollte zivilrechtlich gegen den ihm unbekannten Nutzer vorgehen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs fehlte es aber an einer gesetzlichen Grundlage, damit der Betreiber des Portals die Daten überhaupt herausgeben darf – unabhängig von der Frage, ob er dazu verpflichtet ist.

Der Gesetzgeber reagierte mit einer Ergänzung des Telemediengesetzes. Dieses sieht nun ein Verfahren vor, nach dem der Verletzte bei Gericht beantragen kann, dass ein Diensteanbieter zur Herausgabe von Daten berechtigt ist.

er Anbieter von Telemedien darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 10a Absatz 1 des Telemediengesetzes oder § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist.

§ 21 Abs. 2 Satz 1 TTDSG

Seitdem ist es möglich, gegenüber Diensteanbietern wie sozialen Netzwerken eine Befugnis zur Auskunft gerichtlich durchzusetzen.

Nicht nur gegenüber sozialen Netzwerken

Zunächst war fraglich, ob das Verfahren zur Befugnis, eine Auskunft zu erteilen, nur für soziale Netzwerke im Sinne des NetzDG gilt. Dies hätte eine erhebliche Anzahl von Diensteanbietern von einer Anwendbarkeit ausgenommen. Der Bundesgerichtshof hat allerdings kürzlich in einem anderen Verfahren klargestellt, dass die Vorgängervorschrift des § 14 Abs. 3 TMG alle Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes erfasst (BGH, Beschluss vom 24.09.2019 – VI ZB 39/18).

Das OLG Frankfurt hatte dies in Bezug auf den Facebook-Messenger noch anders gesehen und entschieden, das Verfahren sei nur auf soziale Netzwerke anwendbar (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.09.2018 – 16 W 27/18). Der Bundesgerichtshof trat dem entgegen, der Gesetzgeber habe allgemein die Erfüllung von Auskunftsansprüchen gegen Betreiber von Kommunikationsportalen im Internet ermöglichen wollen, nicht nur in Bezug auf soziale Netzwerke.

Wann besteht ein Auskunftsanspruch?

Das Problem: Für das eigentliche Ziel des Verletzten, eine Auskunft zu erhalten, braucht es neben der Befugnis des Diensteanbieters zur Auskunft auch einen Anspruch. Einen solchen gab es im Gesetz lange nicht.

Zwar war ein Anspruch auf Auskunft im Einzelfall möglich, der Bundesgerichtshof leitet ihn aus Treu und Glauben ab (§ 242 BGB). Die bereits angesprochene Entscheidung des OLG Frankfurt zeigte allerdings auf, dass dies Schwierigkeiten bereitete:

Allerdings ist unabhängig davon, ob eine Auskunft datenschutzrechtlich zu gestatten wäre, auch fraglich, ob überhaupt ein Auskunftsanspruch gegen die Beteiligte aus § 242 BGB gegeben wäre. Denn anders als in dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (Urteil vom 1.7.2014, aaO.) ist vorliegend nicht ersichtlich, woraus sich ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Beteiligten ergeben soll, das die Beteiligte nach Treu und Glauben zur Auskunft über Daten Dritter verpflichten könnte.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.09.2018 – 16 W 27/18

Im Falle von öffentlichen Postings konnte der Verletzte einen Anspruch gegen den Diensteanbieter haben, wenn dieser einer rechtlichen Pflicht zur Entfernung nicht nachkam. Wenn aber der Beitrag rechtzeitig entfernt wurde oder es gar nicht um öffentliche Kommunikation ging, konnte es an einem Auskunftsanspruch fehlen.

Gesetzgeber schaffte Abhilfe

Das OLG Frankfurt bezeichnete diesen Rechtszustand als „unbefriedigend“ und verweist auf den Gesetzgeber:

Insoweit könnte der Gesetzgeber aufgerufen sein, ggfls. einen Auskunftsanspruch entsprechend der Regelung in § 101 UrhG zu kodifizieren, wie bereits in der Beschlussempfehlung (BT-DRs. 18/13013 S. 23) angedeutet.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.09.2018 – 16 W 27/18

Der Bundestag hat das Problem aufgegriffen und eine Auskunftspflicht geschaffen. Diese ist im neuen § 21 TTDSG geregelt. Wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 TTDSG vorliegen, so gilt nach Satz 2:

In diesem Umfang ist er gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet.

§ 21 Abs. 2 Satz 2 TTDSG

Damit ist das früher zweistufige gerichtliche Verfahren (1. Befugnis zur Auskunft, 2. Auskunft) zu einem einheitlichen Auskunftsverfahren zusammengefasst worden. Dies erleichtert die praktische Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche deutlich.

Mit dem gesetzlichen Auskunftsanspruch ist es für Betroffene von Rechtsverletzungen möglich, sich unmittelbar an den Verletzer zu halten. Sie müssen sich nicht darauf verlassen, dass z.B. die Ermittlungsbehörden tätig werden und ermitteln, sondern können ihr Recht selbst in die Hand nehmen.

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