Aus Anwaltsschreiben zitieren – erlaubt oder verboten?

Ein Schreiben vom Anwalt kann einschüchternd wirken und manchmal ist dies vom Absender auch beabsichtigt. Vor allem bei Abmahnungen wegen angeblich unzulässiger Äußerungen kann es sein, dass der Betroffene als Reaktion öffentlich machen will, dass man ihn rechtlich belangt.

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Aber ist es überhaupt zulässig, aus einem Anwaltsschreiben zu zitieren oder diese sogar vollständig zu veröffentlichen? Manche Anwälte weisen in ihren Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass eine Veröffentlichung des Inhalts unzulässig sein soll. Wir klären auf.

Der Versuch, eine Berichterstattung über Anwaltsschreiben zu verhindern, erfolgt zum Beispiel wie hier:

Wir weisen Sie darauf hin, dass der Inhalt dieses Schreibens weder ganz noch teilweise zur Veröffentlichung bestimmt ist. Es dient ausschließlich zur Wahrnehmung der Belange unseres Mandanten. Es darf in keiner Weise publizistisch genutzt oder Dritten zugänglich gemacht werden. Jegliche Veröffentlichung verletzt die Rechte unseres Mandanten und löst zusätzlich Ansprüche unsererseits aus.

Ein Maulkorb für Abgemahnte also? Ob aus Anwaltsschreiben trotzdem zitiert werden darf und unter welchen Voraussetzungen, lesen Sie in diesem Beitrag.

Rechte des Abmahnenden und des Anwalts

Zunächst einmal gilt: Nur weil der Abmahnende eine Veröffentlichung nicht wünscht, handelt es sich noch nicht um ein Recht, dass eine Abmahnung geheim gehalten werden muss.

Eine Grenze der Veröffentlichung stellen die Persönlichkeitsrechte des Abmahnenden darf. Diese schützen ihn vor einer verfälschenden Darstellung. Vor allem darf eine unzulässige Äußerung nicht einfach wiederholt werden. Der Umstand, dass eine Abmahnung ausgesprochen wurde, ist hingegen grundsätzlich als wahre Tatsachenbehauptung zulässig. Allerdings kann der Abmahnende ggf. einen Anspruch auf Anonymität haben. Hier gilt es genau abzuwägen, ob beispielsweise der Name genannt werden darf.

Auch der Anwalt kann sich auf seine Persönlichkeitsrechte berufen. Wird aus seinem Schreiben zitiert, müssen wörtliche Zitate oder indirekte Rede richtig sein. Eine Falschdarstellung oder Verfälschung des Gesamtkontexts ist unzulässig. Dem Anwalt dürfen keine Äußerungen untergeschoben werden, die er nicht getätigt hat. Ferner ist es nicht erlaubt, ihn lächerlich zu machen, wenngleich eine (auch deutliche) Kritik zulässig ist.

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Maulkorb für kritische Berichterstattung? Da haben wir etwas dagegen. Sprechen Sie uns an und wir helfen bei presserechtlichen Auseinandersetzungen.


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Keine private Kommunikation – Keine Vertraulichkeit

Zitate aus einer vertraulichen Kommunikation können die Vertraulichkeits- und Geheimsphäre einer Person verletzen. Diese schützt das Interesse daran, dass der Inhalt einer privaten Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt und die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden. Aber auch die Vertraulichkeitssphäre gewährt keinen absoluten Schutz, auch die Veröffentlichung vertraulicher Informationen kann im Einzelfall zulässig sein, wenn beispielsweise die Meinungsfreiheit überwiegt.

Im Fall eines Anwaltsschreibens liegt allerdings bereits keine „private“ Kommunikation vor. Der Bundesgerichtshof geht vielmehr davon aus, dass ein Anwaltsschreiben nicht den persönlichen Lebensbereich des Anwalts betrifft:

[E]s handelt sich nicht um eine private Kommunikation, mit deren Wiedergabe in der Öffentlichkeit er keinesfalls rechnen musste. Kurz wiedergegeben wird der Inhalt eines Schriftstücks, das der [Anwalt] im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verfasst und selbst aus der Hand gegeben hat.

BGH, Urteil vom 26.11.2019 – VI ZR 12/19

Erklärt der Anwalt, sein Schreiben sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, ändert dies nichts. Würde man einer solchen Erklärung Bedeutung beimessen, könnte jeder durch eine einseitige Erklärung absoluten Persönlichkeitsschutz begründen – und damit entgegenstehende Grundrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit aushebeln.

Selbstbestimmung über das geschriebene Wort?

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass jeder Person eine Selbstbestimmung über das gesprochene Wort zusteht. Hintergrund ist, dass normalerweise flüchtige Äußerungen durch ihre Aufzeichnung dauerhaft verfügbar gemacht werden. Durch eine Aufnahme der Stimme auf einem Tonträger wird nicht nur der Inhalt einer Äußerung dauerhaft fixiert. Alle Einzelheiten auch des Ausdrucks werden festgehalten. Die Selbstbestimmung über das gesprochene Wort soll verhindern, dass Aufnahmen über den Kopf des Betroffenen hinweg weitergegeben werden.

Im Grundsatz gilt das Selbstbestimmungsrecht auch für schriftliche Äußerungen wie Tagebücher oder private Briefe. Bei Anwaltsschreiben ist hingegen zu berücksichtigen, dass sie nicht von vornherein privat sind und der Anwalt sie selbst aus der Hand gibt.

Bei Zitaten, insbesondere wenn sie eher kurz sind, kann sich ein Anwalt daher nicht auf sein Recht auf Selbstbestimmung berufen. Die vollständige Wiedergabe von Anwaltsschreiben, auch wenn sie nicht urheberrechtlich geschützt sind, ist hingegen eher problematisch.

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Abwägung der widerstreitenden Interessen

Wenn ein Zitat etwas größer ausfällt, ist zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Anwalts und dem Interesse des Betroffenen an einer Veröffentlichung abzuwägen. Dabei kann insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 GG für eine Veröffentlichung streiten. Grundsätzlich kommt Art. 5 GG dabei umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt.

Letztlich hängt die Zulässigkeit einer Veröffentlichung von Anwaltsschreiben vom Einzelfall ab. Anders als mancher Anwalt suggeriert, ist eine Veröffentlichung nicht per se unzulässig. Gerade in einer rechtlichen Auseinandersetzung sollte aber genau geprüft werden, ob ein Zitat erlaubt ist oder nicht. Dabei sollte in der Regel ein „Kleinzitat“ vorgenommen werden, wobei stets darauf zu achten ist, dass der Inhalt einer Äußerung nicht verfälscht wird.

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